Univ.-Prof. Dr. Norbert Hoerster (Mainz)

Ethische Überlegungen zur Sterbehilfe

Unser geltendes deutsches Recht enthält keine ausdrückliche Regelung der Sterbehilfe. Inwieweit Sterbehilfe ethisch vertretbar ist und auch rechtlich zugelassen werden sollte, ist vielmehr seit Jahren in unserer Gesellschaft lebhaft umstritten. Dies bedeutet: Inwieweit in der Realität Sterbehilfe geleistet wird, hängt weitgehend vom Ermessen und damit auch von der weltanschaulich- moralischen Einstellung des jeweiligen Arztes ab.

Dieser Zustand einer weitgehenden Beliebigkeit und Rechtsunsicherheit ist für den Bürger, der ja immer auch potentieller Patient ist, in einer so zentralen Frage, in der es schließlich um Leben und Tod geht, auf Dauer nicht tragbar. Meines Erachtens sollte deshalb jeder – ganz unabhängig von seinen inhaltlichen Vorstellungen zur Sterbehilfe – an einer möglichst vorurteilslosen Diskussion der Sterbehilfeproblematik mit dem Ziel einer ausdrücklichen und klaren gesetzlichen Regelung dieser Problematik interessiert sein. Zu einer solchen Diskussion möchte ich einen Beitrag leisten. Ich werde mich also ausdrücklich nicht darauf beschränken, lediglich den gegenwärtigen Rechtszustand, der, wie gesagt, weitgehend durch Unklarheit und fehlende gesetzliche Regelungen charakterisiert ist, wiederzugeben oder gar zu verteidigen. Meine Fragestellung lautet vielmehr: Wie sollte – von einem möglichst rationalen und humanen Standpunkt aus betrachtet – in einer Gesellschaft wie der unseren die Sterbehilfe rechtlich geregelt werden?

Zunächst eine kurze methodische Vorbemerkung. Man kann darüber streiten, ob in der Philosophie im allgemeinen und in der Ethik im besonderen so etwas wie eine Letztbegründung möglich ist. Selbst wenn sie möglich sein sollte, so kann man sicherlich bei der Behandlung einer Frage der angewandten Ethik – und die Frage nach der Zulässigkeit der Sterbehilfe ist eine Frage der angewandten Ethik – nicht zu letzten Begründungsufern vorstoßen. Was man jedoch sinnvollerweise tun kann – und was ich im folgenden zu tun versuchen werde – ist dies: Man kann die zur Debatte stehende Frage – also hier die Frage der Sterbehilfe – an jenen ethischen Prinzipien messen, die sich insoweit in unserer Gesellschaft bewährt haben, als sie 1. seit langem zur Regelung von vergleichbaren Fragen herangezogen werden und 2. bis heute auch durch grundlegende, philosophische Kritik jedenfalls nicht widerlegt sind. Anders gesagt: Ein Regelungsvorschlag zur Sterbehilfe wäre zumindest dann in einem provisorischen Sinne gut begründet, wenn er in Einklang steht mit in unserer Gesellschaft allgemein anerkannten, umfassenderen ethischen Prinzipien. Er wäre dagegen als zunächst einmal widerlegt zu betrachten, wenn er zu derartigen Prinzipien in Widerspruch steht. Soweit zu meiner Methode, die ich nun auf das Problem der Sterbehilfe anwenden werde.

Ich beginne mit der sogenannten passiven Sterbehilfe, d.h. dem Sterbenlassen durch Untätigkeit oder Unterlassen, nämlich durch Verzicht auf eine mögliche lebensverlängernde ärztliche Behandlung. Sollte eine solche passive Sterbehilfe rechtlich zugelassen werden?

Wenn man meiner soeben skizzierten Methode folgt, ist die prinzipielle Antwort auf diese Frage einfacher, als oft angenommen wird. Das hier einschlägige umfassendere ethische Prinzip lautet nämlich: Schlechthin jede ärztliche Behandlung – gleichgültig ob in einem alltäglichen oder in einem sehr ernsten Fall – bedarf der Zustimmung oder Einwilligung des Patienten. Ohne meine Zustimmung darf ein Arzt mir weder ein Mittel gegen Schnupfen noch eine lebensrettende Bluttransfusion applizieren. Der in unserem moralischen Denken wie in unserer Rechtsordnung fest verankerte Grundsatz der Freiheit, Autonomie oder Selbstbestimmung des Individuums verbietet jeden ärztlichen Eingriff, jede ärztliche Behandlung ohne Zustimmung – und dies selbst dann, wenn der Eingriff oder die Behandlung langfristig gesehen für den Patienten selbst (durch Rettung seiner Gesundheit oder seines Lebens) durchaus von Nutzen wäre und seinem Wohl diente.

Passive Sterbehilfe durch Verzicht auf Behandlung muß also immer dann als zulässig betrachtet werden, wenn der Patient einer möglichen Behandlung seine Zustimmung versagt bzw. eine passive Sterbehilfe ausdrücklich wünscht.

Dieses Ergebnis ist, soweit ich sehen kann, weitgehend unbestritten. Wie aber soll mit einem Patienten verfahren werden, der – sei es vorübergehend oder dauerhaft – einwilligungsunfähig ist, der also gar nicht in der Lage ist, die zu seiner Behandlung erforderliche Zustimmung ausdrücklich zu erteilen bzw. eine passive Sterbehilfe ausdrücklich zu wünschen? Diese Frage ist schwieriger zu beantworten.

Es wäre sicher ganz unsinnig, in einem solchen Fall generell jede Behandlung als illegitim zu betrachten. Man denke nur an den Fall eines bewußtlosen Unfallopfers, das, soll es nicht sterben, unverzüglich operiert werden muß. Daß auch ohne eine ausdrückliche Zustimmung eine Behandlung prinzipiell möglich sein muß, bedeutet jedoch nicht notwendig, daß hier der Arzt nach eigenem moralischen Ermessen bzw. nach seinen eigenen Vorstellungen von einem sogenannten objektiven Interesse des Patienten die Entscheidung treffen dürfte. Betrachten wir den Fall der Operation des bewußtlosen Unfallopfers näher. Nach unserer Rechtsordnung ist auch hier durchaus eine Einwilligung des Patienten erforderlich. Allerdings genügt – da eine ausdrückliche Einwilligung ja nicht eingeholt werden kann – eine mutmaßliche oder zu vermutende Einwilligung.

Ob eine solche mutmaßliche Einwilligung vorliegt, ist von der Antwort auf die folgende Frage abhängig: Würde der Patient der betreffenden Heilmaßnahme ausdrücklich zustimmen, wenn er dazu in der Lage wäre? Um diese Frage zu beantworten, muß man im Prinzip jene Einstellungen, Präferenzen und Wünsche zugrundelegen, die der Patient – bis zum Verlust seines Bewußtseins – in einigermaßen gefestigter Form, also über einen längeren Zeitraum entwickelt und gehegt hat. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Auskünfte von nahen Verwandten und Freunden des Patienten von großer Bedeutung. Sofern auf dieser Basis jedoch keine Anhaltspunkte für ungewöhnliche Einstellungen des Betreffenden ersichtlich sind, muß man nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit von jenen Einstellungen ausgehen, die der gewöhnliche, normale Patient für die gegebene Situation hat. Die mutmaßliche Einwilligung des Patienten ist in diesem Fall identisch mit der hypothetischen Einstellung des Normalpatienten. Nach alledem ist ein Arzt ohne Zweifel etwa legitimiert, bei einem wesentlich gesunden, aber bewußtlosen Patienten nach einem Verkehrsunfall eine lebensrettende Operation durchzuführen.

Ganz Entsprechendes aber muß für die passive Sterbehilfe gelten. Das bedeutet: Passive Sterbehilfe ist bei einem einwilligungsunfähigen Patienten immer dann legitim, ja geboten, wenn anzunehmen ist, daß dieser Patient eine lebensverlängernde Behandlung in seinem gegebenen Zustand, sofern er zu einer Willensbildung fähig wäre, nicht wünschen würde. In diesem Zusammenhang ist – neben einschlägigen Mitteilungen von Verwandten oder Freunden – die sogenannte Patientenverfügung von besonderer Bedeutung. Unter einer Patientenverfügung (manchmal mißverständlich auch als "Patiententestament" bezeichnet) versteht man eine schriftliche Willenserklärung, durch die jemand im vorhinein verbindlich festlegt, unter welchen Voraussetzungen er welche Form einer medizinischen Behandlung im Fall einer Bewußtlosigkeit oder Willensunfähigkeit ablehnt. Zwar ist auch eine solche Patientenverfügung gewöhnlich zu jenem Zeitpunkt, auf den es ankommt, nicht als ausdrückliche, sondern lediglich als mutmaßliche Willensbekundung aufzufassen. Dies ist deshalb so, weil eine Patientenverfügung ja gewöhnlich eine längere Zeit vor Eintreten des Zeitpunkts einer eventuellen passiven Sterbehilfe abgegeben wurde und insofern zu diesem Zeitpunkt, auf den es für die Einwilligung ankommt, nicht mehr ohne weiteres als ausdrückliche Willensbekundung betrachtet werden kann. Trotzdem ist im Normalfall und bei Fehlen entgegenstehender Indizien davon auszugehen, daß der früher erklärte ausdrückliche Wille mit dem gegenwärtigen mutmaßlichen Willen des Patienten identisch ist.

Daraus folgt u.a.: Es ist illegitim, wenn ein Arzt (wie es immer wieder vorkommt) trotz einer entgegenstehenden Patientenverfügung einen bewußtlos Schwerkranken oder Sterbenden allein deshalb durch aktive Maßnahmen wieder ins Leben ruft, weil er (der Arzt) in ähnlichen Situationen durchaus schon erlebt habe, daß ein Patient im nachhinein für eine solche lebensrettende Maßnahme dankbar sei. Diese Überlegung allein kann keine hinreichende Legitimation für ärztliches Handeln bilden. Denn erstens gibt es ebenso die gegenteilige Bekundung von Patienten – also die Bekundung des nachträglichen Bedauerns darüber, wieder ins Leben zurückgeholt worden zu sein. Und zweitens – und das ist entscheidend – ist es nicht Aufgabe des Arztes, dem Patienten dieses Risiko, das nicht nur mit jeder Patientenverfügung, sondern mit schlechthin jeder Ablehnung einer ärztlichen Behandlung naturgemäß verbunden ist, unter Mißachtung der Autonomie des Patienten in paternalistischer Weise abzunehmen.

Soweit meine grundsätzliche Position zur sogenannten passiven Sterbehilfe. Die beiden folgenden nicht selten vertretenen abweichenden Auffassungen sind mit dieser Position nicht vereinbar.

1. Für die von Papst Pius XII. und in seinem Gefolge von zahlreichen Kirchenführern und Theologen vertretene ethische Unterscheidung zwischen der Anwendung sogenannter "gewöhnlicher" und sogenannter "außergewöhnlicher" therapeutischer Maßnahmen der Lebensverlängerung ist nach meiner Sichtweise kein Grund vorhanden. Auch "gewöhnliche" Maßnahmen der Therapie dürfen, ja müssen vom Arzt unterlassen werden, sofern dies dem (ausdrücklichen oder mutmaßlichen) Willen des Patienten entspricht.

2. Unvereinbar mit der von mir vertretenen Position ist es auch, unter bestimmten Umständen anstatt auf den Willen des Patienten darauf abzustellen, ob eine Behandlung, wie es manchmal heißt, nach ärztlicher Auffassung noch "angezeigt" ist oder nicht. Im Sinne dieser Redeweise erklärt beispielsweise der 1986 von einem Arbeitskreis von Medizin- und Strafrechtsprofessoren vorgelegte "Alternativentwurf eines Gesetzes zur Sterbehilfe", indem er einer mehr oder weniger schon verbreiteten ärztlichen Praxis den Segen erteilt, eine passive Sterbehilfe u.a. dann für zulässig, "wenn bei nahe bevorstehendem Tod im Hinblick auf den Leidenszustand des Betroffenen und die Aussichtslosigkeit einer Heilbehandlung die Aufnahme oder Fortführung lebenserhaltender Maßnahmen nach ärztlicher Erkenntnis nicht mehr angezeigt ist". Hier wird, so meine ich, unter dem Deckmantel einer sogenannten "Erkenntnis" – während es in Wahrheit doch eindeutig um eine Wertentscheidung geht – die Wertung des Patienten, die eigentlich den Maßstab bilden müßte, einfach ersetzt durch die Eigenwertung des Arztes. Ein solches Vorgehen ist mit der Autonomie, mit der Behandlungshoheit des Patienten prinzipiell nicht vereinbar.

Ich komme zur Erörterung der sogenannten aktiven Sterbehilfe, die insgesamt in unserer Gesellschaft weit umstrittener als die passive Sterbehilfe ist. Aktive Sterbehilfe ist definitionsgemäß Sterbehilfe durch Tun oder Handeln; aktive Sterbehilfe ist nicht Sterbenlassen, sondern Töten des Patienten, somit Töten eines Menschen. Kann, so muß zunächst gefragt werden, die Tötung eines Menschen jemals gerechtfertigt sein? Darf die Tötung eines Menschen jemals von der Rechtsordnung zugelassen werden? Diese Frage wird nicht selten verneint mit der Begründung, das ethische Prinzip der "Unverfügbarkeit des Lebens" (gemeint ist: des menschlichen Lebens) verbiete jede aktive Form der Tötung.

Zu diesem Argument ist folgendes zu sagen. Tatsächlich wird das Prinzip der "Unverfügbarkeit des Lebens", wenn man genauer hinschaut, von niemandem (oder doch fast von niemandem) so verstanden, daß es absolut, unter allen Umständen das Töten verbietet. So erlauben sowohl die allermeisten Ethiker als auch die rechtlichen Institutionen unserer Gesellschaft etwa das Töten in Notwehr, ja selbst Massentötungen in einem Verteidigungskrieg. Ein weiteres Beispiel in diese Richtung wäre die Todesstrafe, die zwar in unserer deutschen, derzeit geltenden Rechtsordnung abgeschafft ist, weltweit jedoch überwiegend praktiziert wird und moralische Zustimmung findet. In den westlichen Demokratien haben insbesondere jene kirchlichen Kreise, die aktive Sterbehilfe als Verstoß gegen die Unverfügbarkeit des Lebens so vehement ablehnen, gegen die Todesstrafe gewöhnlich keinerlei Bedenken. Erst jüngst hat der neue Katechismus der katholischen Kirche die Todesstrafe wieder ausdrücklich gutgeheißen.

Die Lehre von der "Unverfügbarkeit des Lebens" wird nach alledem selbst von ihren Vertretern kaum je in einem absoluten Sinn verstanden. Diese Lehre läßt es vielmehr völlig offen, unter welchen besonderen Voraussetzungen – Notwehr, Krieg, Todesstrafe, Sterbehilfe? – Töten eben doch als legitim betrachtet werden kann. Das bedeutet: Diese Lehre kann es uns als solche nicht abnehmen, jede dieser strittigen Formen von Tötung – also auch die aktive Sterbehilfe – in ihrer jeweiligen Besonderheit auf ihre ethische Begründbarkeit hin zu untersuchen.

Ausgangspunkt dieser Untersuchung kann in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung wie der unseren nur das jedem Menschen in Art. 2 des Grundgesetzes garantierte Recht auf Leben sein. Es ist in diesem Zusammenhang zwar umstritten, ob etwa auch die menschliche Leibesfrucht dieses Recht auf Leben genießt. Es ist unter Juristen wie Politikern in unserer Gesellschaft jedoch völlig unstreitig, daß jedem menschlichen Individuum jedenfalls mit der Geburt dieses Recht auf Leben zukommt. Und auch bei philosophischer Betrachtung gibt es jedenfalls überzeugende ethische Gründe dafür, jedem geborenen menschlichen Individuum ein Recht auf Leben durch Sozialmoral und Rechtsordnung einzuräumen.

Verstößt nun die Zulassung einer aktiven Sterbehilfe gegen dieses Recht auf Leben? Dies ist sicher dann der Fall, wenn die Sterbehilfe ohne Einwilligung des Betroffenen erfolgt. Eine sogenannte "Sterbehilfe", bei der sich der Arzt – ohne das, was der Patient selbst wünscht, zu berücksichtigen -anmaßt, das Leben des Patienten einfach für nicht mehr lebenswert erklären und deshalb beenden zu dürfen, wäre sicher ein klarer Verstoß gegen das Recht des Patienten auf Leben und deshalb, ethisch wie rechtlich betrachtet, unzulässig und in hohem Maß verwerflich. Schon der Ausdruck "Sterbehilfe" – also Hilfe zu etwas, das der Patient selbst wünscht – wäre hier fehl am Platze. Eben deshalb waren die allermeisten der von den Nazis unter dem Stichwort "Euthanasie" durchgeführten Tötungen keine Aktionen der Sterbehilfe, sondern Morde.

Wie steht es nun aber, wenn die Tötung mit Einwilligung des Betroffenen erfolgt, ja seinem Wunsch entspricht? Liegt auch in diesem Fall ein Verstoß gegen das Recht des Betroffenen auf Leben vor? Diese Frage muß eindeutig verneint werden, und zwar aus dem folgenden, ganz generellen Grund: Daß Individuum A ein Recht auf ein bestimmtes Gut hat, schließt in keiner Weise aus, daß A selber dieses Gut freiwillig zerstört oder preisgibt.

Man betrachte folgendes Beispiel. Das Eigentumsrecht, das ich an meinem Auto habe, schließt in keiner Weise aus, daß ich mein Auto, wenn ich es nicht mehr brauchen kann, verschrotte. Dabei ist es prinzipiell irrelevant, ob ich die Verschrottung selbst vornehme oder ob ich sie durch einen anderen – mit meiner Einwilligung – vornehmen lasse. Ganz allgemein gilt: Nicht nur die Zerstörung einer eigenen Sache ist erlaubt. Auch die Zerstörung einer fremden Sache, sofern sie mit Einwilligung ihres Eigentümers erfolgt, ist erlaubt und verstößt nicht gegen das Recht, das der Eigentümer an der ihm gehörenden Sache hat.

Warum sollte dies nun bei der Zerstörung des Lebens – sei es durch den Träger dieses Lebens selbst, sei es durch einen von ihm Beauftragten – prinzipiell betrachtet anders sein? Ich sehe keinen Grund, da auch das Leben – nicht anders als das Eigentum – ein individuelles, also dem betreffenden Individuum zugeordnetes Gut ist. Weder Selbsttötung noch Fremdtötung mit Einwilligung verletzt also das "Recht auf Leben". Eine generelle Freigabe der Tötung auf Wunsch oder Verlangen würde deshalb auch nicht gegen unsere Verfassung verstoßen.

Daß eine bestimmte Handlung kein individuelles Recht verletzt und deshalb nicht im Widerspruch zur Verfassung steht, bedeutet jedoch nicht notwendig, daß diese Handlung nicht aus anderen Gründen ethisch bedenklich, ja strafrechtlich verbotswürdig sein könnte. Die folgenden Erwägungen sprechen meines Erachtens tatsächlich dafür, im Normalfall eine Tötung auf Verlangen auch weiterhin, so wie bisher, strafrechtlich zu verbieten. Das Leben ist zwar wie das Eigentum ein individuelles Gut, über das der einzelne prinzipiell selbst verfügen kann. Trotzdem ist das individuelle Gut des Lebens gegenüber anderen individuellen Gütern durch Besonderheiten gekennzeichnet: Das Leben ist erstens ein besonders wichtiges, ein zentrales Gut, dessen Besitz Voraussetzung des Genusses aller anderen individuellen Güter (wie Gesundheit, Lebensfreude oder Eigentum) ist. Und das Leben ist zweitens ein Gut, dessen Verlust absolut irreversibel ist. Man kann sich zwar ein zweites, neues Auto, nicht aber ein zweites, neues Leben beschaffen.

Aus diesem Grund hat das normale Individuum selbst durchaus ein Interesse daran, durch die Rechtsordnung vor einer Preisgabe des eigenen Lebens geschützt zu werden, die einer bloß vorübergehenden Lebensmüdigkeit entspringt und bei langfristiger Betrachtung vom eigenen Standpunkt dieses Individuums aus irrational erscheinen muß. Ein einfaches Beispiel: Jemand bittet um seine Tötung, der an Liebeskummer leidet und deshalb momentan seines Lebens überdrüssig ist. Vor einer Tötung unter solchen Umständen muß die Rechtsordnung den einzelnen so weit wie möglich schützen. Ich stimme insoweit der Regelung unseres geltenden § 216 Strafgesetzbuch, der die Tötung auf Verlangen generell verbietet, durchaus zu. Ja, ich möchte in diesem Punkt ausdrücklich für eine Verschärfung unseres geltenden Rechts plädieren: Nicht nur die Fremdtötung auf Verlangen, sondern auch die ursächliche Mitwirkung an einer Selbsttötung – also die Anstiftung sowie die Beihilfe zur Selbsttötung – sollte meines Erachtens generell verboten werden. Ich halte es für ganz ungerechtfertigt, daß nach unserer Rechtsordnung derjenige straffrei bleibt, der etwa einen Zwanzigjährigen, der an momentanem Liebeskummer leidet, zur Selbsttötung überredet und ihm zu diesem Zweck auch noch die geeignete Dosis Zyankali in die Hand drückt. Soviel generell zur Tötung auf Verlangen.

Ganz anders liegen die Dinge nun aber im speziellen Fall der Sterbehilfe. Die typische Konstellation der Sterbehilfe ist nämlich gegenüber dem gewöhnlichen Fall der Tötung auf Verlangen durch ganz besondere Merkmale gekennzeichnet. Hier befindet sich das Individuum, das seine Tötung wünscht, in einem schweren, irreversiblen Leidenszustand. Wenn ein solcher Zustand vorliegt, besteht offenbar eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit, daß der Sterbewunsch des Betroffenen keineswegs nur einer vorübergehenden Laune oder Depression, sondern durchaus dem wahren Interesse dieses Menschen Ausdruck gibt.

Wer nicht zugestehen möchte, daß es solche nicht behebbaren Leidenszustände gibt, die einem Weiterleben für den Patienten selbst den Sinn nehmen, der verschließt seine Augen vor der Wirklichkeit. Und wer denjenigen, der diese Wirklichkeit zur Kenntnis nimmt und in diesen Fällen von einem für den Patienten selbst nicht mehr lebenswerten Leben spricht, deshalb als Anhänger der Nazi-Ideologie vom "lebensunwerten Leben" hinstellt, der diffamiert, anstatt zu argumentieren.

Wer sich auf Argumente einläßt, muß erkennen: In Fällen dieser Art entspricht es keineswegs dem Interesse des Individuums, vor einer Preisgabe seines Lebens auch gegen seinen Wunsch durch die Rechtsordnung geschützt zu werden. Im Gegenteil; ein Individuum, das in einer derartigen Situation aus leicht nachvollziehbaren Gründen selbst seinen Tod wünscht, kann eine rechtliche Regelung, die es unter Strafe verbietet, ihm zu helfen, nur als grobe Mißachtung seiner Interessen betrachten.

Ich halte aus diesen Gründen eine aktive Sterbehilfe immer dann für legitim und rechtlich nicht verbotswürdig, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

1. Der Betroffene ist einem schweren, unheilbaren Leiden ausgesetzt. – Durch diese Bedingung soll sichergestellt werden, daß der Wunsch nach Sterbehilfe nicht von vornherein den Stempel des Irrationalen, unter langfristiger Perspektive nicht Nachvollziehbaren trägt. Denn ein schweres, unheilbares Leiden ist eine Lage, in der es jedenfalls nicht unwahrscheinlich und nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist, daß der Betroffene sein gesamtes weiteres Leben nicht mehr als lohnend oder sinnvoll erfahren kann.

2. Der Betroffene selbst wünscht aufgrund reiflicher, in einem urteilsfähigen und aufgeklärten Zustand durchgeführter Überlegung aktive Sterbehilfe. – Diese Bedingung soll sicherstellen, daß nur eine freiwillige, informierte und über einen längeren Zeitraum bestandskräftige Entscheidung des Betroffenen zu einer Sterbehilfe führt. Selbst einem schwer und unheilbar Leidenden darf Sterbehilfe unter keinen Umstände von außen aufgenötigt werden.

3. Die Sterbehilfe wird von einem Arzt oder mit Ermächtigung eines Arztes durchgeführt. – Diese Bedingung ist meines Erachtens deshalb unverzichtbar, weil nur ein Arzt normalerweise kompetent ist, das Vorliegen der ersten beiden Voraussetzungen zu beurteilen und außerdem für die erbetene Sterbehilfe die dem Wunsch des Patienten genau entsprechende, wirksame Form zu finden.

Bevor ich zur Erörterung möglicher Mißbrauchs- und Dammbruchsgefahren einer Zulassung aktiver Sterbehilfe komme, noch kurz zur sogenannten indirekten Sterbehilfe. Unter indirekter Sterbehilfe versteht man die Herbeiführung eines vorzeitigen Todes als Nebenfolge bestimmter ärztlicher Maßnahmen, insbesondere der Verabreichung starker Schmerzmittel. Intendiert, angestrebt wird hier nicht der Tod, sondern die Schmerzlinderung; der beschleunigte Eintritt des Todes wird lediglich in Kauf genommen. Diese Form der Sterbehilfe wird inzwischen, nach einem langwierigen Umdenkungsprozeß, von fast allen Theologen, Juristen und Ärzten befürwortet.

Hierzu die folgenden Bemerkungen. Auch die indirekte Sterbehilfe ist fraglos eine aktive sowie im juristischen Sinn auch vorsätzliche Sterbehilfe! Die Zulassung der indirekten, aktiven Sterbehilfe bei gleichzeitiger Pönalisierung der direkten, aktiven Sterbehilfe ist deshalb eine Inkonsequenz und eine Systemwidrigkeit im Rahmen unseres Strafrechts. Sie beruht letztlich auf der sogenannten "Lehre von der Doppelwirkung" – einer Lehre, die von der katholischen Moraltheologie entwickelt wurde, unserem Strafrecht jedoch fremd und zudem ethisch kaum begründbar ist.

Es besteht kein Zweifel: Auch die indirekte Sterbehilfe ist Tötung, nämlich bewußte Herbeiführung des Todes. Daß der Tod bei dem betreffenden Patienten ohnehin später eingetreten wäre, ändert daran nichts. Bei jedem Menschen, der getötet wird, wäre – wegen der unvermeidlichen Sterblichkeit jedes Menschen – der Tod zu einem späteren Zeitpunkt ohnehin eingetreten. Auf die zwischen den beiden Zeitpunkten liegende Zeitspanne kommt es nicht an.

Betrachten wir zum Vergleich folgendes Beispiel einer Tötung außerhalb des Bereichs der Sterbehilfe: Ein Nazi-Arzt nimmt an todkranken Menschen ohne ihre Einwilligung wissenschaftliche Experimente vor, die ihren Tod beschleunigen. Ohne Zweifel macht sich doch dieser Arzt, obschon er den Tod der Menschen nicht intendiert, sondern nur in Kauf nimmt, des Totschlags bzw. Mordes schuldig. Das heißt: Auch eine bloß indirekte Tötung ist im Normalfall illegitim und verbotswürdig.

Warum nun aber erscheint eine indirekte Tötung im Fall der Sterbehilfe nicht als illegitim und verbotswürdig? Offenbar doch nur deshalb, weil sie hier dem Wunsch eines schwer leidenden Menschen nach Hilfe entspricht. Dieser Wunsch aber mag im einen Fall auf eine indirekte, im anderen Fall auf eine direkte aktive Sterbehilfe gerichtet sein. Warum soll dem Wunsch zwar ohne weiteres im Fall der indirekten, unter keinen Umständen aber im Fall der direkten Sterbehilfe entsprochen werden dürfen?

Nun zu den möglichen Mißbrauchs- und Dammbruchsgefahren der Zulassung einer aktiven Sterbehilfe. Solche Mißbrauchs- und Dammbruchsgefahren lassen sich sicher – auch dies gilt für die indirekte ganz genauso wie für die direkte aktive Sterbehilfe – grundsätzlich nicht ausschließen. Empirische Befunde, die solche Gefahren stichhaltig beweisen würden, liegen jedoch bislang nicht vor. In diesem Zusammenhang auf die Euthanasiepraxis der Nazis hinzuweisen, ist verfehlt. Den Nazis ging es im Rahmen ihres Euthanasieprogramms, wie schon angedeutet, keineswegs um Sterbehilfe in dem von mir definierten Sinn, sondern primär um folgendes: um die Beseitigung als sozial nutzlos betrachteter Individuen, sogenannter "Ballastexistenzen". Das Interesse der Betroffenen selbst war für die Nazis gerade nicht das ausschlaggebende Kriterium.

Die immer wieder anzutreffende Unterstellung aber, daß eine Sterbehilfe wie die von mir befürwortete trotz allem der erste Schritt zu einer erneuten Euthanasiepraxis wie der der Nazis wäre, ist absurd. Zum einen erscheint eine Euthanasiepraxis wie die der Nazis unter Bedingungen eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates als undenkbar. Und zum anderen wären in einem totalitären Staat, der sich sogenannter "nutzloser Esser" oder "rassisch Minderwertiger" skrupellos entledigen will, die Zulassung einer humanen Sterbehilfe als erster Schritt eine im Sinne der Machthaber ebenso überflüssige wie ungeeignete Maßnahme. Sind tatsächlich etwa die Niederlande, in denen aktive Sterbehilfe ärztlich praktiziert und rechtlich gebilligt ist, deshalb – wie etwa der Vatikan behauptet – unterwegs zu einer neuen Nazi-Euthanasie?

Viel realer als die Gefahren einer neuen Nazi-Euthanasie sind sicher gewisse Gefahren einer – sei es bewußt mißbräuchlichen, sei es fahrlässig laxen, sei es unzureichend informierten – Anwendung der Sterbehilfekriterien im Einzelfall. Diese Gefahren sind in der Tat vorhanden. Entsprechende Gefahren bestehen jedoch überall dort, wo das generelle Tötungsverbot außer Kraft gesetzt wird -also auch etwa im Fall von Notwehr, im Fall von Krieg oder im Fall der Todesstrafe. Wollen wir das Notwehrrecht, zur Verteidigung eigener Güter, sofern erforderlich, auch zu töten, deshalb für illegitim erklären, weil gelegentlich Leute in einer bloß vermeintlichen Notwehrsituation töten, oder weil gelegentlich Leute in einer tatsächlichen Notwehrsituation töten, obschon eine mildere Form der Verteidigung zum Schutz des angegriffenen Gutes ausgereicht hätte?

Es ist generell Aufgabe der staatlichen Verfolgungsorgane, darüber zu wachen, daß jede Tötung außerhalb der festgelegten Kriterien dem Gesetz entsprechend unnachgiebig bestraft wird und daß sich schon deshalb jeder, der irgendeine Tötung in Betracht zieht, nicht einmal, sondern dreimal vorher überlegt, ob die Voraussetzungen einer legitimen Tötung wirklich erfüllt sind.

Wer aber meint, schon ein einziger Fall illegitimer aktiver Sterbehilfe spreche gegen jede Zulassung aktive Sterbehilfe, vergißt folgendes: In der anderen Schale der Waage liegt das physische und psychische Leid zahlloser Menschen, die in einer hoffnungslosen Situation ihrem weiteren Leben keinen Sinn mehr abgewinnen können und die deshalb von ihrem Recht auf einen selbstbestimmten Tod Gebrauch machen möchten – und zwar gerade auch dann, wenn sie zu einer Selbsttötung nicht mehr in der Lage sind. Außerdem: Es ist bislang bloße Spekulation, daß Akte illegitimer aktiver Sterbehilfe gerade durch eine eng umgrenzte Legalisierung aktiver Sterbehilfe zunehmen würden. Jene Fälle ungerechtfertigter aktiver Tötung in deutschen und österreichischen Krankenanstalten, die in den letzten Jahren an die Öffentlichkeit gedrungen sind und mit Recht Empörung ausgelöst haben, geschahen schließlich vor dem Hintergrund eines ganz undifferenzierten sozialmoralischen und rechtlichen Verbotes jeder aktiven, direkten Sterbehilfe.

Zum Abschluß meiner Ausführungen möchte ich fünf Fälle zur vergleichsweisen ethischen Beurteilung vorlegen. In allen fünf Fällen soll es sich gleicherweise um einen schwer und unheilbar kranken Patienten handeln, der aufgrund reiflicher und in einem urteilsfähigen und aufgeklärten Zustand durchgeführter Überlegung eine Sterbehilfe wünscht – also um einen Patienten, der sich in einer Lage befindet, in der nach meiner Auffassung Sterbehilfe in jeder ihrer Formen prinzipiell zulässig sein sollte. In jedem der fünf Fälle werde ich auf die Frage eingehen, wie man nach unserer gegenwärtigen Rechtslage im jeweiligen Fall verfahren würde.

1. Der Arzt unterläßt es, den Patienten zur Lebensverlängerung an eine künstliche Niere anzuschließen. Ergebnis: Ohne Zweifel ein Fall passiver Sterbehilfe; also nach heute einhelliger Auffassung legitim.

2. Der Arzt schaltet die künstliche Niere, an die der Patient bereits angeschlossen ist, wieder ab. Ergebnis: Es ist umstritten, ob hier noch passive oder bereits aktive Sterbehilfe vorliegt (das Abschalten des Gerätes ist schließlich ein Tun und kein Unterlassen!). Nach der überkommenen Auffassung, die eine direkte aktive Sterbehilfe ablehnt, hängt die Zulässigkeit des ärztlichen Handelns hier also ausschließlich davon ab, ob man sich entschließt, das Abschalten des Gerätes eben doch nicht als Tun, sondern in einem umfassenderen Sinn als Unterlassen (nämlich als Unterlassen weiterer Behandlung) zu qualifizieren. Nur unter dieser Voraussetzung läge eine passive und damit zulässige Sterbehilfe vor. Ich frage: Kann die Zulässigkeit des ärztlichen Handelns in diesem Fall tatsächlich von der doch ziemlich willkürlichen Entscheidung abhängen, ob man das Abschalten des Gerätes begrifflich als aktiv oder als passiv (als Tun oder als Unterlassen) einordnet?

3. Der Arzt injiziert dem Patienten zur Schmerzlinderung ein Mittel, das seinen Tod beschleunigt. Ergebnis: Nach heute einhelliger Meinung legitim, da, wie dargelegt, nur indirekte aktive Sterbehilfe.

4. Der Arzt verschafft dem Patienten eine Spritze mit einer Überdosis Morphium und weist ihn in den Gebrauch der Spritze ein. Der Patient spritzt sich das Morphium selbst und stirbt. Ergebnis: Die ethische Beurteilung ist in unserer Gesellschaft je nach Weltanschauung sehr unterschiedlich. Nach geltendem Recht aber besteht kein Zweifel: Dieses Verhalten des Arztes ist als bloße Beihilfe zur Selbsttötung zulässig und wird nicht bestraft.

5. Der Arzt spritzt selbst bei dem Patienten die Überdosis Morphium, die direkt zum Tod führt. Ergebnis: Nach geltendem Recht strafbare Tötung auf Verlangen bei einer angedrohten Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.

Soweit die fünf Fälle. In allen fünf Fällen wird der Tod des Patienten – wenn auch auf unterschiedliche Art – herbeigeführt. Ist nicht aber ebenfalls in allen fünf Fällen der ethisch relevante Gesichtspunkt, von dem die Beurteilung der Herbeiführung des Todes abhängen sollte, der, daß der Patient infolge seiner hoffnungslosen Situation seinen Tod selbst wünscht? Und sollte es unter dieser Voraussetzung nicht jedem Patienten selbst überlassen bleiben, nicht nur seinen Tod, die Tatsache seines Sterbens, sondern auch die Art und Weise seines Sterbens selbst zu bestimmen? Warum will man gerade jenen sterbewilligen Patienten, die wegen ihrer besonderen Umstände nicht auf eine der Arten 1-4 sterben können – also insbesondere jenen Patienten, die keine Möglichkeit haben, sich geeignete Sterbemittel zu beschaffen oder die sich die tödliche Injektion nicht selbst setzen können -, praktisch jede Möglichkeit nehmen, ihr hoffnungsloses Leiden zu beenden?

Und schließlich: Ist es wirklich plausibel, jene Horrorvisionen von Dammbrüchen im generellen Lebensschutz, die Gegner einer direkten, aktiven Sterbehilfe gern an die Wand malen, ausschließlich an die Zulassung dieser Form von Sterbehilfe (also an Fall 5) zu knüpfen, nicht jedoch an die übrigen Formen von Sterbehilfe (also an die Fälle 1-4)? Sind nicht zumindest Fall 2 (Abschalten eines lebenserhaltenden Apparates), Fall 3 (indirekte Tötung durch Injektion eines Schmerzmittels) und Fall 4 (gezielte Unterstützung bei der Selbsttötung) – sämtlich also Fälle eines aktiven Eingreifens – in ihrem sozialen Erscheinungsbild der direkten, aktiven Sterbehilfe in Fall 5 so verwandt, daß der juristische und theologische Laie hier ohnehin kaum relevante Unterschiede zu entdecken vermag? Die Meinungsumfragen – über 70 % der deutschen Bevölkerung befürworten die Zulassung direkter, aktiver Sterbehilfe – weisen in der Tat in diese Richtung. Die Kirchen und ihre Gefolgsleute in Politik und Rechtswissenschaft werden in dieser Frage von der Basis immer weniger verstanden. Darf man hoffen, daß sich die maßgeblichen Stellen in Zukunft unter dem Druck des Volkes einem ähnlichen Umdenken öffnen werden, wie wir es in den letzten Jahrzehnten im Bereich der Sexualmoral so radikal erlebt haben? Jedenfalls ist es endlich an der Zeit, daß die Problematik der Sterbehilfe in unserer Gesellschaft nicht länger unter dem Vorwand der Nazi-Euthanasie tabuisiert wird, sondern mit dem Ziel einer ausdrücklichen rechtlichen Regelung, die am Prinzip der Selbstbestimmung orientiert ist, offen und vorurteilslos diskutiert wird.



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