![]() Ueli Maurer Gedanken zur Grundlage unseres Staates Ansprache zum Nationalfeiertag vom 1. August 2007,
„Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, So die Schwurformel, wie sie Friedrich Schiller den Eidgenossen auf dem Rütli in den Mund legt. Gewiss: Das ist Dichtung, nicht historische Überlieferung. Aber sie fasst grundlegende staatsphilosophische Erkenntnisse sprachmächtig zusammen: Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit. Wenn ein Volk nicht einig zusammensteht und die Gefahren zu bannen weiss, dann kann es auch die Freiheit nicht gewinnen. Schiller hat das Drama 1804 verfasst. Zu einer Zeit also, da in Westeuropa die alten Feudalherrschaften allmählich durch Nationalstaaten abgelöst wurden. In dieser Epoche der politischen und ideellen Auseinandersetzung wurden die grundlegenden Fragen nach Berechtigung und Aufgabe des Staates gestellt und diskutiert: Weshalb schliessen sich die Menschen zu einem Staat zusammen? Was berechtigt diesen Staat, Gesetze zu erlassen und Steuern zu erheben? Mit welchem Recht greift der Staat in die persönliche Freiheit der Bürgerinnen und Bürger ein? So sehr sich die Antworten der grossen Staatsdenker hierzu unterscheiden, so verschieden die Ansichten eines John Hobbes, Thomas Locke oder unseres Genfer Gesellschaftsphilosophen Jean-Jacques Rousseau auch sein mögen, in einem Bereich sind sie deckungsgleich: die Menschen suchen Schutz und Sicherheit für Leib und Leben. Deshalb verzichten sie auf einen Teil ihrer Freiheit und treten diese dem Staate ab. So erhält der Staat seine Staatsgewalt. Das ist seine Macht, zu ordnen und zu strafen. Aber diese Staatsgewalt ist an einen Auftrag gebunden. Der Staat ist verpflichtet, den Menschen Schutz und Sicherheit zu geben. Das ist die Idee, die unserem Staat zugrunde liegt: Wir Bürger verzichten auf Selbstjustiz und statten den Staat mit einem Gewaltmonopol aus. Wir akzeptieren die Einschränkung unserer Freiheit durch gewisse notwendige Gesetze. Wir bezahlen Steuern und übertragen so dem Staat jedes Jahr einen Teil unseres Eigentums. Umgekehrt muss der Staat Schutz garantieren und Sicherheit schaffen. Das ermöglicht es dem Bürger, Freiheit und Eigentum optimal zu nutzen. Somit beruht das Verhältnis zwischen dem Bürger und dem Staat auf Geben und Nehmen: Wir schränken uns etwas ein, wir geben etwas von unserem Eigentum ab und erhalten im Gegenzug den Schutz, der uns freie Entfaltung und Entwicklung ermöglicht. Darin unterscheidet sich der freiheitliche Staat von Gottes- oder Führerstaaten der Vergangenheit und Gegenwart: unser Staat ist nicht einer heiligen oder historischen Mission verpflichtet, sondern der Schaffung grösstmöglicher Freiheit. Und dazu ist garantierte Sicherheit Grundvoraussetzung. Sicherheit schafft Wohlstand und Kultur Die Schweiz ist dazu schönstes und bestes Beispiel. Sicherheit und Freiheit liessen das kleine Land in den Bergen aufblühen zu einem weltweit geachteten und beachteten Werk- und Handelsplatz, zu einem führenden Bildungs- und Forschungsraum, zu einer der beliebtesten Feriendestinationen. Noch heute ist der Schweizer Franken Gradmesser politischer Entwicklungen überall auf der Welt: steigen die Spannungen, steigt unser Schweizer Franken. Denn: weltweit transferieren Leute ihr angespartes Vermögen in den sicheren Hafen Schweiz. Mit Stolz dürfen wir unser Heimatland als Beweis für die segensreiche Wirkung von Sicherheit und Freiheit nennen. Allerdings sind Leistungen und Erfolge den Verhältnissen der letzten Jahrzehnte zuzuschreiben. Zunehmend fällt es schwer, die Schweiz der Gegenwart noch als Musterfall anzuführen. Ich stehe zu diesem Staat, ich kämpfe als Politiker mit Leidenschaft für sein Funktionieren, für seinen Fortbestand. Und gerade deshalb stelle ich mir, als besorgter Bürger und freiheitlich gesinnter Patriot, die Frage immer wieder, ob unser Staat seiner Kernaufgabe noch gerecht wird. Wie steht es nun heute um dieses Geben und Nehmen zwischen Bürger und Staat? Wir, die Bürgerinnen und Bürger, arbeiten durchschnittlich 106 Tage pro Jahr für die Staatskasse. Das Eidgenössische Finanzdepartement erklärte dieses Jahr den 16. April zum Tag der erfüllten Steuerpflicht. Nimmt man sämtliche Gebühren, obligatorischen Versicherungs- und Vorsorgeabgaben dazu, sind wir während 180 Tagen Staatsarbeiter. Wir, die Bürgerinnen und Bürger, werden durch die jährlich steigende Regeldichte zunehmend eingeengt. Wir haben einen Staat, der die freie Meinungsäusserung einschränkt, Marroni-Häuschen normiert, sich um die Zusammensetzung der Schweinesuppe sorgt, der uns den Alkoholkauf am Abend verbieten will, der den Wirten vorschreibt, ob in ihren Gastlokalen geraucht werden dürfe oder nicht. Der Staat verweigert seine geschuldete Leistung Mich erinnert das an eine so tiefsinnige und lehrreiche Parabel von Jeremias Gotthelf. In seiner düsteren Novelle „Die schwarze Spinne“ zeichnet er gleichnishaft gesellschaftliche Entwicklungen nach. Er schildert Blüte und Zerfall, die Zeiten des Niedergangs und der Dekadenz: In einem Berner Bauerndorf wütete einst das teuflische Böse als todbringende schwarze Spinne. Unter Aufopferung des eigenen Lebens sperrt eine Bäuerin die Spinne in das Loch eines Türpfostens. Da bleibt das Böse über Jahrhunderte gefangen; unbesiegt aber gebannt. Das Dorf gedeiht, das Dorf blüht. Dann aber, mit wachsendem Wohlstand, geraten alte Regeln und Bräuche allmählich in Vergessenheit, überlieferte Weisheiten und Wahrheiten ebenfalls. Die Sitten lockern sich; das Erbe der Heimat wird erst belächelt, dann verlacht; die traditionelle Ernsthaftigkeit weicht einer frivolen Sorglosigkeit und Respektlosigkeit. Und eines Nachts, auf dem Höhepunkt eines ausschweifenden, wilden Festes, reisst ein Knecht den Pfropfen vom Loch – und das Böse ist wieder da. Tod, Unglück und Verheerung bringend fährt es in die Dorfgemeinschaft. Gotthelfs schwarze Spinne steht symbolisch auch für unsere Gesellschaft, für unseren Umgang mit Tradition, Anstand, Disziplin, Werten und Tugenden. Auch hierzulande wurde der Pfropfen aus dem Loch gerissen. Auch hierzulande ist das Barbarische eingebrochen. Auf unsern Strassen und Plätzen, in den öffentlichen Verkehrmitteln, auf den Schulplätzen und in Klassenzimmern finden grauenhafte Verbrechen statt. Verbrechen, die wir noch vor wenigen Jahren für unmöglich gehalten hätten. Banden, die Quartiere terrorisieren; Kinder, die Kinder vergewaltigen, Messerstechereien selbst unter Minderjährigen, Jugendliche, die ihre Gewalttaten filmen und die Aufnahmen stolz als Trophäen herumzeigen – Spass an der Gewalt, Freude an der Demütigung, Genuss der Brutalität. Wir kennen Strassen und Quartiere, die wir nachts meiden. Das heisst nicht anderes, als dass der Staat dort bereits sein Gewaltmonopol aufgegeben hat. So sind in den grossen ausländischen Metropolen Ghettos entstanden. Dort herrscht Chaos. Oder es herrscht die organisierte Kriminalität; das Regime der Mafia wie in Amerika, die Schlägertrupps islamischer Hassprediger wie in England und Frankreich. Das droht auch uns. Wir tolerieren eine unkontrollierte Masseneinwanderung, die Instabilität und Unsicherheit bringt. Wie jede Völkerwanderung in der Geschichte. Wir ordnen unsere Gesetze einem so genannten Völkerrecht unter. Das sind diffuse Regeln, welche den Schutz des Täters vor den Schutz der Ehrlichen und Anständigen stellen. Wir sehen, wie Gewalt an den Schulen die Bildungschancen unserer Jugend zerstört. Und wir wissen, dass Gewalt und Kriminalität letztlich Prosperität und Wohlstand gefährden. Wer sich nicht wehrt, geht unter Auch eine zivilisierte Gesellschaft muss sich wehren können. Sie muss Grenzen setzen. Sie muss ihre Regeln in einer Sprache kundtun, die auch von den Unzivilisierten verstanden wird. Es ist dies die harte Sprache der Sanktion, der Strafe. Zu dieser Klarheit müssen wir zurückfinden. Wir fordern vom Staat ein, was er zu leisten verpflichtet ist: Sicherheit schaffen. Die SVP hat hierfür ein Volksbegehren lanciert. Damit bringen wir unseren Staat dazu, endlich wieder seine wichtigste Aufgabe wahrzunehmen: Sicherheit schaffen. Nur wenn wir Sicherheit schaffen, sichern wir Lebensqualität und Wohlstand. Nur wenn wir Sicherheit schaffen, können wir der nächsten Generation weitergeben, was wir von den Vorvätern erben durften: Eine Schweiz, in der wir gerne leben. Eine Schweiz, die unsere Heimat ist.
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